Matera – Die zeitlose Stadt der Steine und Geschichten

Matera ist eine außergewöhnliche Stadt im Süden Italiens, die Besucher sofort in ihren Bann zieht. Als Hauptstadt der gleichnamigen Provinz in der Region Basilikata vereint sie uralte Geschichte, beeindruckende Felsarchitektur und lebendige Kultur auf ganz besondere Weise. Die rund 60.000 Einwohner leben in einem Ort, der sowohl antik als auch modern wirkt – eine Stadt, die sich über Jahrtausende weiterentwickelt hat, ohne ihre Wurzeln zu verlieren. Der bekannteste Teil Materas sind die sogenannten Sassi, Höhlensiedlungen, die aus dem Fels geschlagen wurden und seit 1993 zum UNESCO-Welterbe zählen. Sie machen Matera zu einem der faszinierendsten Orte Europas. Gleichzeitig ist die Stadt durch kulturellen Wandel und Investitionen in die Infrastruktur auf dem Weg zu neuer Blüte – was mit der Auszeichnung als Kulturhauptstadt Europas 2019 eindrucksvoll bestätigt wurde.

Geographische Lage und Landschaft – Materas natürliche Besonderheiten

Matera liegt auf einer Höhe von etwa 400 Metern über dem Meeresspiegel, eingebettet in die karge Hochebene der Murgia, einer Region, die durch ihre Karstlandschaft, kühlen Winde und markanten Felsformationen geprägt ist. Unmittelbar an das historische Stadtzentrum grenzt das Tal der Gravina, eine tief eingeschnittene Schlucht, durch die sich ein Flusslauf schlängelt. Diese geographischen Gegebenheiten haben maßgeblich die Architektur der Stadt beeinflusst: Die Sassi wurden direkt in die steilen Hänge dieser Schlucht hineingebaut. Matera ist rund 200 Kilometer von Neapel entfernt, etwa 50 Kilometer südwestlich von Bari und 50 Kilometer nordwestlich von Tarent. Trotz dieser relativ abgelegenen Lage ist Matera gut erreichbar – über ein Netz von Staatsstraßen und durch die Schmalspurbahnlinie, die die Stadt mit Bari verbindet. Das Umland Materas ist ebenfalls geprägt von historischen Siedlungen, Feldern, Olivenhainen und dem Parco Regionale delle Chiese Rupestri del Materano, einem regionalen Naturpark, der eine Vielzahl alter Felsenkirchen umfasst. Die einzigartige Verbindung aus Fels, Natur und Stadtlandschaft macht Matera zu einem Ort, der weit über Italien hinaus bekannt geworden ist.

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Die Geschichte Materas – Eine Stadt mit uralten Wurzeln

Die Ursprünge von Matera reichen bis in die Jungsteinzeit zurück. Archäologische Funde belegen, dass Menschen bereits vor zehntausenden Jahren in dieser Region lebten. Die Struktur der Höhlenwohnungen in den Sassi zeugt von einer außergewöhnlichen Anpassung an das raue Klima und die geologischen Gegebenheiten. Um 251 v. Chr. wurde Matera unter dem Namen Matheola von den Römern gegründet, möglicherweise zu Ehren des Konsuls Lucius Caecilius Metellus. In den folgenden Jahrhunderten war die Stadt Teil verschiedenster Reiche: Griechen, Römer, Langobarden, Byzantiner und später Normannen hinterließen ihre Spuren in der Architektur und Kultur der Stadt. Besonders im Mittelalter erlebte Matera eine Blütezeit. Im Jahr 1270 wurde die prächtige Kathedrale der Stadt auf dem höchsten Punkt des Altstadtkerns fertiggestellt – ein Symbol für den damaligen Reichtum und die strategische Bedeutung des Ortes.

Im 16. Jahrhundert wurde die Stadt von lokalen Adelsfamilien regiert, wobei Machtkämpfe und Rivalitäten immer wieder zu politischen Umbrüchen führten. Im Jahr 1514 kam es zu einem Volksaufstand, bei dem der verhasste neapolitanische Graf Giancarlo Tramontano ermordet wurde. Während der napoleonischen Herrschaft wurde Matera zur Hauptstadt der Basilikata erklärt. Im 20. Jahrhundert schließlich geriet Matera erneut in die Schlagzeilen – diesmal wegen der miserablen Lebensverhältnisse in den Sassi. Viele Bewohner lebten noch ohne Strom, fließendes Wasser oder Kanalisation. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zu Umsiedlungen in neu errichtete Stadtteile, die hygienischen Zustände wurden durch den Einsatz der Regierung langsam verbessert.

Die Sassi von Matera – Stein gewordene Geschichte

Die Sassi sind zweifellos das markanteste Merkmal Materas und ein kulturelles Erbe von unschätzbarem Wert. Es handelt sich dabei um zwei historische Stadtviertel, Sasso Caveoso und Sasso Barisano, die vollständig aus in den Fels gehauenen Wohnungen und Gassen bestehen. Ihre Struktur folgt nicht dem klassischen Stadtplan, sondern ergibt sich aus der natürlichen Topografie der Felslandschaft. Die Sassi sind labyrinthartig angelegt, mit Terrassen, Höhlenwohnungen, Treppen, Brunnen und engen Gassen, die auf verschiedenen Ebenen übereinander gestapelt sind. Über viele Jahrhunderte hinweg war dies die Lebensrealität der Materaner, die in diesen natürlichen Behausungen lebten und arbeiteten.

Im 20. Jahrhundert galten die Sassi allerdings als Sinnbild für Armut und Rückständigkeit. Der Schriftsteller Carlo Levi machte in seinem Buch „Christus kam nur bis Eboli“ die tragischen Zustände einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Die italienische Regierung begann daraufhin in den 1950er Jahren mit der Umsiedlung der Höhlenbewohner. Doch anstatt die alten Strukturen zu zerstören, begann man in den 1980er und 1990er Jahren mit einer systematischen Restaurierung. 1993 erfolgte die Aufnahme der Sassi und des benachbarten Felskirchenparks in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes. Heute sind viele der Höhlen liebevoll restauriert, beherbergen kleine Hotels, Galerien, Cafés oder Museen und ziehen jedes Jahr Hunderttausende Besucher aus aller Welt an. Die Sassi sind zum Symbol für den gelungenen Wandel von Vernachlässigung hin zur Wertschätzung des kulturellen Erbes geworden.

Infrastruktur und Zukunftsprojekte – Matera modernisiert sich

In den letzten Jahren hat sich Matera auch infrastrukturell stark verändert. Besonders im Zuge der Ernennung zur Kulturhauptstadt Europas im Jahr 2019 wurden zahlreiche Projekte angestoßen, die das Stadtbild und die Lebensqualität deutlich verbessert haben. Der Bahnhof Matera Centrale wurde unterirdisch neu gebaut und modernisiert. Die Bahnstrecke zwischen Bari und Matera wurde ausgebaut, sodass Pendler und Touristen die Stadt komfortabler erreichen können.

Ein bedeutendes Projekt ist der Aufbau der sogenannten Metrotranvia dei Sassi – einer Stadtbahn, die zunächst auf einer Strecke von 10,2 Kilometern zwischen Matera Sud und dem Vorort Venusio verkehren soll. Mit fünf Haltestellen und 16 Fahrten täglich verbindet diese Bahn verschiedene Stadtteile effizient miteinander. Eine Verlängerung bis zum Krankenhaus und weiter bis Borgo San Francesco ist bereits in Planung.

Darüber hinaus laufen wieder Bauarbeiten an einer Bahnstrecke, die Matera mit Ferrandina und damit mit dem Fernverkehrsnetz Richtung Neapel verbinden soll – ein Projekt, das bereits 1986 begonnen, aber lange Zeit stillgelegt wurde. Die Wiederaufnahme dieser Verbindung soll bis 2026 abgeschlossen sein und Matera besser an das nationale Verkehrsnetz anschließen. All diese Entwicklungen machen deutlich, dass Matera nicht nur auf ihre Vergangenheit blickt, sondern aktiv in eine moderne, nachhaltige Zukunft investiert.

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Kulturelles Leben und Tourismus – Matera im Wandel der Zeit

Heute ist Matera nicht nur ein Ort von historischer Bedeutung, sondern auch ein wachsendes Zentrum für Kunst, Kultur und Film. Der Status als Europäische Kulturhauptstadt im Jahr 2019 hat zahlreiche Festivals, Ausstellungen und internationale Kooperationen hervorgebracht. Die Stadt bietet regelmäßig Theateraufführungen, Filmvorführungen und Konzerte – viele davon in einzigartigen Kulissen wie alten Felsenkirchen oder auf den Plätzen der Altstadt.

Auch die Filmindustrie hat Matera für sich entdeckt. Aufgrund ihrer außergewöhnlichen Kulisse dienten die Sassi bereits als Drehort für zahlreiche internationale Produktionen, darunter Mel Gibsons „Die Passion Christi“ oder zuletzt der James-Bond-Film „Keine Zeit zu sterben“. Diese mediale Aufmerksamkeit hat den Tourismus weiter beflügelt und trägt dazu bei, dass sich Matera heute in einem neuen Licht präsentiert: Als Stadt, die Vergangenheit und Zukunft auf beeindruckende Weise vereint.

Zudem wird großer Wert auf nachhaltigen Tourismus gelegt. Die Stadtverwaltung arbeitet daran, Besucherströme zu lenken, historische Bausubstanz zu erhalten und das kulturelle Erbe zu schützen. Bildungsprogramme, Führungen durch die Sassi, interaktive Museen und Projekte mit lokalen Künstlern sorgen dafür, dass die Geschichte lebendig bleibt und Besucher nicht nur konsumieren, sondern auch verstehen.

Fazit – Matera als lebendiges Symbol europäischer Geschichte

Matera ist weit mehr als nur ein Reiseziel – sie ist eine lebendige Zeitkapsel, ein Symbol des menschlichen Überlebenswillens und der kulturellen Weiterentwicklung. Die Stadt zeigt eindrucksvoll, wie aus jahrhundertelanger Armut und Vernachlässigung ein neues Selbstbewusstsein erwachsen kann. Der Weg von den „Schandhöhlen“ zum UNESCO-Welterbe, von der Isolation zur Kulturhauptstadt, ist ein einzigartiges Beispiel für den gelungenen Wandel einer Region.

Wer Matera besucht, erlebt Geschichte hautnah. Jede Gasse, jede Höhle und jede Kirche erzählt ihre eigene Geschichte. Gleichzeitig spürt man den frischen Wind des Wandels, der die Stadt mit Kreativität, Investitionen und kulturellem Leben erfüllt. Matera ist ein Ort, der Vergangenheit und Zukunft in harmonischem Gleichgewicht hält – und genau darin liegt seine Magie.

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